Ich möchte zu einer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft beitragen
Wer bist du, was machst du und warum?
Ich bin Silke, verheiratet und Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Kindern. Mein Sohn ist Autist. Er versteht zwar alles, spricht aber nicht, daher kommunizieren wir per Gebärdensprache. Außerdem hat er einen hohen Unterstützungsbedarf, braucht Hilfe bei allen alltäglichen Dingen wie Anziehen, Ausziehen, Hygiene, Essen, Trinken usw. und muss wegen Weglauftendenz und fehlendem Gefahrenbewusstsein immer beaufsichtigt werden.
Die Geburt unseres autistischen Sohnes hat unsere Welt nach und nach immer mehr auf den Kopf gestellt und so setzten wir uns damit auseinander, wie wir ihn unterstützen und fördern können und wie alles weitergeht mit einem Kind, das niemals selbstständig wird leben können.
Viele Informationen suchten wir uns anfangs selbst zusammen und es war erstmal gar nicht so einfach, sich zu orientieren, weil das Autismus-Spektrum groß und vielfältig ist und es Facetten und viel Wissen jenseits der gängigen Klischees gibt.
Auch von anderen Eltern bekamen wir dabei wertvolle Hilfe. Und das motivierte mich irgendwann, etwas zurückgeben zu wollen, anderen Eltern zu helfen, die auch in diese Situation kommen und erst einmal nicht ein und aus wissen. Es sollte sich nicht jeder wieder alles von vorne erschließen müssen und so begann ich „Ellas Blog“ zu schreiben, um meine eigenen Erfahrungen weiterzugeben.
Mit der Zeit veröffentlichte ich auch Gastbeiträge anderer, dann kamen Interviews mit Fachleuten und wertvolle Beiträge von erwachsenen Autistinnen und Autisten dazu, Buchveröffentlichungen und Lesungen schlossen sich an.
Der kleine persönliche Blog, mit dem ich überhaupt keinen professionellen Anspruch verfolgt hatte, erhielt enormen Zuspruch und entwickelte sich nach und nach zu einem Online-Magazin. Ich möchte nicht unbedingt sagen, dass er mir „über die Ohren wuchs“, aber ich merkte ab einem gewissen Zeitpunkt, dass „Ellas Blog“ wegen seiner gewachsenen Größe nun unternehmerische Herausforderungen mit sich brachte, verwaltet und gepflegt werden sowie rechtliche Anforderungen erfüllen musste.
Außerdem entwickele ich immer wieder neue Visionen, die nur mit einer entsprechenden Infrastruktur umzusetzen sind, wie zum Beispiel Onlinekurse und psychologische Beratung, so geht es immer weiter und ja – von einer kleinen Bloggerin, die ich im Herzen eigentlich immer noch bin und die immer noch einen Teil des Blogs schreibt, entwickelte sich parallel eine Unternehmerin.
Was mache ich also? Ich kläre mit verschiedenen Medien über das Autismus-Spektrum auf, vermittle Familien, dass sie mit ihren Fragen und Sorgen nicht alleine sind, gebe ihnen Informationen und praktische Hilfestellung an die Hand, ermögliche Austausch zwischen Eltern, Fachleuten, Autistinnen und Autisten und versuche Vorurteile und Missverständnisse, die rund um das Thema Autismus ranken, abzubauen.
Immer wieder werde ich gefragt, wie ich das mit meiner Selbstständigkeit gemacht habe und ich weiß dann eigentlich nichts Plausibleres zu sagen, als dass es sich mit der Zeit entwickelt hat, ohne dass ich das geplant hätte.
In einem Satz: Was ist deine CRAZY Mission, das Wichtigste, was du für dich & andere bewirken möchtest?
Ich möchte zu einer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft beitragen, die alle Menschen mit ihren Stärken und Schwächen akzeptiert, sie unterstützt und nicht ausgrenzt – das betrifft selbstverständlich viele verschiedene Themen innerhalb unserer Gesellschaft, meine „Mission“ ist Aufklärung zum Thema Autismus.
Was läuft bei dir als Mutter und Unternehmerin anders und warum ist das CRAZY?
Ich veranstalte täglich eine Gratwanderung zwischen der Versorgung meines erwachsenen behinderten Sohnes, der jede Minute Aufsicht und Betreuung braucht, den Herausforderungen, die das Führen eines Unternehmens mit sich bringt, und der Tatsache, dass ich im gleichen Bereich auch ehrenamtlich tätig bin.
Das meiste, was ich für und mit „Ellas Blog“ mache, wie z.B. Beiträge schreiben, Interviews führen, Hilfe suchenden Eltern antworten, Recherchieren und Anfragen beantworten, ist etwas, das mir kein Einkommen bringt. Ich würde sagen, dass das etwa 70% meiner Tätigkeiten ausmacht und ich denke mal, dass das andere Unternehmerinnen ziemlich „crazy“ finden, um bei dem Wort zu bleiben. Dazu schreibe ich weiter unten noch mehr.
Ungewöhnlich ist sicherlich mein Alltag. Das, was andere nach dem Kleinkindalter mit ihren Kindern hinter sich gebracht haben, hört bei uns nie auf. Es wird ein Leben lang so bleiben. Seitdem ich das akzeptiert hatte, konnte ich auch meinen Frieden damit machen, aufhören mich zu vergleichen, und die Vorteile erkennen.
Da ich auf Dauer immer verfügbar sein muss, kann ich mich nur schwer in das Korsett und die Vorgaben eines anderen Unternehmens zwängen. Noch heute sind unsere Nächte unterbrochen und die Wochenenden und Ferien gehören zur intensivsten Betreuungs- und Pflegezeit. Das führt automatisch dazu, dass ich einen ganz anderen Rhythmus lebe, der Montag eigentlich mein Sonntag ist und ich häufig nachts arbeite.
Manche Menschen verstehen nicht, warum „man“ sich dann auch noch ein Unternehmen ans Bein bindet, aber ich empfinde es als erfüllende, sinnvolle Arbeit, zu der mein Sohn mich inspiriert hat. Zehn Prozent der Gewinne, die ich mit meiner Arbeit erziele, fließen Ende des Jahres übrigens in soziale Projekte.
Ob das nun alles „crazy“ ist, weiß ich nicht. Das können gerne andere entscheiden. 🙂
Wie sieht Erfolg für dich persönlich aus und was ist dein Weg dorthin?
Wenn ich an Unternehmerinnen-Seminaren teilnehme und immer wieder höre, dass man hochpreisige Produkte anbieten sollte, für die man dann weniger Kunden braucht, um insgesamt auf einen gewissen Umsatz zu kommen, dann denke ich mir regelmäßig: das mag für manche stimmig und sinnvoll sein. Aber nein, das ist nicht mein Anspruch, nicht meine Welt, daran messe ich meinen Erfolg nicht.
Ich möchte viele Menschen erreichen. Auch wenn manche Angebote, die ich mache, sich auf Teilbereiche fokussieren, möchte ich insgesamt, dass möglichst viele auch meine kostenfreien Angebote entdecken und diese ihnen im besten Fall weiterhelfen. Es ist diese „kleine Bloggerin“, von der ich oben bereits sprach, von der ich mich nicht lösen kann und auch nicht möchte – denn ich sitze im selben Boot wie meine Leserinnen und Leser.
Darüber hinaus habe ich weitere Angebote geschaffen, die etwas kosten, wie z.B. Bücher, Onlinekurse und Beratung. Schon alleine, weil sie einen gewissen Einsatz an Material, Infrastruktur und sehr viel Zeit benötigen, muss ich dafür etwas verlangen, um meine Kosten zu decken und den Gewinn in mein eigenes Leben und neue Ideen reinvestieren zu können.
Aber auch damit werde ich nicht reich werden. Und das möchte ich auch nicht. Höher, schneller, weiter ist nicht mein Bestreben, sondern tiefer, intensiver, breiter, damit möglichst viele teilhaben können.
Um eine große Menge an Menschen erreichen und ihnen helfen zu können, braucht es ein Instrument wie „Ellas Blog“, den ich aufgebaut habe und der nun eine beträchtliche Reichweite hat. Und um diese Arbeit aufrechterhalten und weiter ausbauen zu können, braucht es natürlich auch Umsatz und Gewinn, der dies alles trägt. Aber den Erfolg messe ich schließlich daran, wie vielen Menschen tatsächlich geholfen werden konnte – direkt oder auch indirekt, indem Aufklärung greift. Der schönste Lohn ist, wenn ich dies direkt von Menschen rückgemeldet bekomme, die meine Texte und Bücher lesen oder meine Kurse besuchen.
Natürlich – und das ist mir klar – muss man sich diese Haltung auch leisten können. Ich muss mit meiner Arbeit nicht unseren vollständigen Lebensunterhalt bestreiten, wie dies sicherlich manch andere berufstätige und selbstständige Mutter muss. Und das ermöglicht es mir, diese Vision umzusetzen.
Wie ist dein Setup und wie schaffst du es, den alltäglichen MomPreneurs Wahnsinn irgendwie zu meistern?
Ich genieße die Freiheiten, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringen, sehr bewusst. Es gibt zwar viele Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem Unternehmen, aber es gibt eben auch diese Freiheiten in der Zeiteinteilung oder auch in der inhaltlichen Gestaltung. Das setze ich bewusst ein, achte auf mich, wenn es mir nicht gut geht, nehme mir Auszeiten von Social Media, wenn es mir zu viel wird, und stopfe mir meinen Terminkalender nach Möglichkeit nicht bis oben hin mit Terminen voll.
Wichtig ist, sich nach Möglichkeit einen zeitlichen Puffer zu erhalten und sich Hilfe zu holen. Niemand muss alles alleine schaffen und es muss auch nicht immer alles perfekt und sofort fertig sein. Das ist zwar eine Lektion, in der ich nicht so gut bin, aber es wird langsam… 😉
Viel Kraft ziehe ich auch aus unseren Wohnmobilreisen nach Skandinavien. Bilder aus Norwegen hängen bei uns an den Wänden und schenken mir immer wieder wertvolle Erinnerungen an die fantastische Natur und die dort für mich spürbare Freiheit.
Außerdem hat mich mein autistischer Sohn Gelassenheit gelehrt. Früher war das ein Fremdwort für mich, aber inzwischen kann ich auch mal abwarten oder etwas stehenlassen, ohne sofort in einen Disput zu geraten. Das Abwägen der eigenen Ressourcen ist ein absolutes Muss und man muss nicht jeden Kampf kämpfen – nur die, auf die es wirklich ankommt.
Und noch etwas hat mein Sohn in unser Leben gebracht: eine große Portion unschlagbaren und ziemlich schrägen Humor. Das zaubert dann auch in den unmöglichsten Situationen ein Lächeln ins Gesicht und gibt Kraft – und dafür bin ich ihm oft sehr, sehr dankbar.
Welche Top 3 Tipps & Tools bringen dir wirklich CRAZY Ergebnisse im Business oder erleichtern dir deinen CRAZY MomPreneurs Alltag am meisten?
Nun, um es mal direkt aufs Business zu beziehen, die Tools: Active Campaign für meine Newsletter – Tailwind für Pinterest – elopage als super Partner für Onlinekurse.
Meine Tipps: einen Redaktionsplan erstellen, der eine To-Do und Ideenliste enthält, um alles im Blick zu haben – feste Zeitfenster für Social Media und das Beantworten von Mails einplanen, ansonsten ausschalten – Netzwerk pflegen, Kontakte knüpfen, gemeinsam klappt alles viel besser und die Erfahrung, Expertise und Kompetenz von mehreren zu bündeln, kommt allen zugute.
Im Alltag helfen mir am meisten: mein selbstfahrender Staubsauger, meine Lieblingssuppen von Little Lunch, wenn’s schnell gehen muss, und der regelmäßige Kauf von 20er Packs Socken, bevor ich die alle zusammensuchen muss und doch nicht finde.
Und ohne meinen Mann an meiner Seite wäre dies alles überhaupt nicht möglich. Ich habe großen Respekt vor alleinerziehenden Müttern und Vätern, die die alltäglichen und beruflichen Dinge alleine stemmen.
Wie können wir in unserer Gesellschaft mehr CRAZY MomPreneurship ermöglichen – welche Rahmenbedingungen braucht es dafür?
Weniger Bürokratie und Hindernisse für kleine Unternehmerinnen. Das beginnt bei dem Wort, das mit D anfängt und mit SGVO aufhört, geht über Verpackungsverordnungen bis hin zu EDV-technischen Herausforderungen, die Fluch und Segen zugleich sein können.
Über das Thema Kinderbetreuung, Recht auf Kitaplätze und so weiter wird vielerorts viel Berechtigtes und Wichtiges geschrieben.
Was den Bereich „Familie und Autismus“ angeht, braucht es jedoch noch viel mehr. So zum Beispiel dringend Aufklärung in Schulen und bei Pädagogen zu diesem Thema, damit nicht etliche Kinder monate- und jahrelang als unbeschulbar zuhause bleiben müssen. Zu wenig Aufklärung bedeutet zu wenig Wissen, unangemessener Umgang mit Autistinnen und Autisten und schließlich häufig eine Eskalation der Situation, für die die Kinder und Jugendlichen nichts können.
Die Eltern sind dann diejenigen, die dies auffangen, zuhause bleiben und nicht selten ihren Job kündigen müssen, um für ihre Kinder da zu sein. Das ist unhaltbar und verhindert auch, dass qualifizierte Mütter ihren Start in eine mögliche Selbstständigkeit schaffen.
Dein wichtigstes Learning als MomPreneur für andere MomPreneurs?
Vergleiche dich nicht mit anderen! Das gilt sowohl im Privaten – gerade mit einem behinderten Kind – aber auch im Business. Gerade unter Selbstständigen ist jeder mit seiner eigenen Vision, seiner besonderen Geschichte und einer Motivation am Start, die andere nicht immer nachvollziehen können. Diese kleinen Mosaiksteinchen sind es aber, die Unvergleichbarkeit mit sich bringen.
Lass dich inspirieren! Sich nicht vergleichen zu sollen, bedeutet nicht, sich nicht umschauen zu dürfen. Es gibt so viele tolle, kreative Menschen, die klasse Dinge auf die Beine stellen. Manchmal ist es ein einzelnes Wort, ein Bild, ein Blick, ein Gespräch, das mich auf die nächste Idee bringt.
Entwickle Visionen und halte an ihnen fest! Man sollte sich nicht von anderen sagen lassen, was geht und was nicht geht. Du alleine entscheidest, was möglich ist, weil die Möglichkeiten zu einem sehr großen Teil häufig in uns liegen. Einige Mitmenschen werden neidisch oder missgünstig, wenn sich der erste Erfolg einstellt. Lass dich davon nicht beirren, umgib dich mit Menschen, die dir guttun und dir wohlwollend gegenübertreten, und halte an deiner Vision fest.
Und zuletzt vielleicht noch eins: Die Art und Weise wie wir die Welt sehen, ist nur eine Möglichkeit, sie wahrzunehmen. Darüber hinaus gibt es Facetten, die wir vielleicht nicht verstehen, die aber existieren und respektiert werden müssen, zum Beispiel im Umgang mit Autistinnen und Autisten. Und am allerwichtigsten wäre es, diese Vielfalt als Bereicherung zu verstehen. Das würde unserer Gesellschaft in vielen Belangen sehr guttun.